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Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland

Widerstand gegen die deutsche Besatzung Griechenlands

Frauen im Widerstand

Frauen im Widerstand

Allgemeine Informationen und kurze Einordnung in den historischen Kontext

Die Unterrichtseinheit Widerstand gegen die deutsche Besatzung Griechenlands thematisiert die vielfältigen Aktivitäten der Menschen, die ihr Leben riskierten, um sich den Besatzern entgegenzustellen.

Während der dreieinhalbjährigen brutalen Okkupation zeigte sich gleichwohl ein breiter und äußerst aktiver Widerstand. Der mit Abstand bedeutendste Widerstand formierte sich in der Nationalen Befreiungsfront (EAM), die am 27.September 1941 aus monatelangen Verhandlungen zwischen der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und drei weiteren kleinen Linksparteien hervorgegangen war. Die EAM entwickelte sich schnell zur größten Widerstandsorganisation und damit zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft im Land.

Der Unmut gegen die Besatzer war groß und die Solidarität untereinander hoch. Die Zahl der Mitglieder der EAM wird auf eine Million geschätzt, aber nicht alle waren über die EAM organisiert. In vielen Fällen zeigte sich Widerstand auch in weniger politischen Aktionen, etwa wenn es um die Unterbringung gefährdeter Person, die Beschaffung von Essen oder die Weitergabe von Informationen ging. Die Zeitzeuginnen/Zeitzeugen haben fast alle eine ganz persönliche Geschichte mit Bezug zum Widerstand.

Alle vier für die Unterrichtseinheit ausgewählten Zeitzeuginnen/Zeitzeugen waren in aktive Widerstandsaktivitäten eingebunden oder nahmen am bewaffneten Kampf der Partisaninnen/Partisanen teil. Sie erzählen teilweise sehr detailliert von traumatischen Erfahrungen, fast durchweg weiterhin von der Notwendigkeit und Richtigkeit dessen überzeugt, was sie getan haben. Die Erzählungen sind oft spannend wie ein Thriller, wenn es um klandestine Operationen oder Verfolgungsjagden geht, und gehen umso tiefer unter die Haut, wenn davon erzählt wird, wie diese Personen verschleppt, misshandelt oder gefoltert worden sind.

Kurze Erläuterungen zu den Zeitzeuginnen/Zeitzeugen

Die Unterrichtseinheit bietet drei unterschiedliche Zeitzeugeninterviews zum Thema Widerstand in einer Länge von ca. 25 Minuten. Dabei kommen sowohl Frauen als auch Männer aus unterschiedlichen Regionen Griechenlands unterschiedlichen Alters, familiären, religiösen, ideologischen Hintergrunds und unterschiedlicher Bildung zu Wort.

Im Mittelpunkt der Einheit Widerstand gegen die deutsche Besatzung Griechenlands stehen vier Personen, in unserem Fall Frau Liakata, Herr Sabetai, Frau Georganta-Savvatianou und Herr Papoutsakis. In den thematisch ausgewählten Videoabschnitten schildern die vier Zeitzeuginnen/Zeitzeugen unterschiedliche Erfahrungen aus ihrer Zeit vor und während der deutschen Besatzungszeit. Sie erzählen vom mutigen und selbstlosen Widerstand gegen die deutschen Besatzer, von Verfolgung und Verschleppung, von Verlust und Trennung, von ihren Ängsten, ihrer Verzweiflung, aber auch von ihren Träumen und Hoffnungen. Sie alle eint die Erfahrung des aktiven Widerstands gegen die deutsche Besatzung. Sie alle haben sich dafür entschieden, im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit ihr Leben zu riskieren. Vor diesem Hintergrund scheinen zwei Punkte zentral, die in der Unterrichtseinheit thematisiert werden: Zum einen der Widerstandsbegriff, der in Deutschland anders besetzt ist. Dieser wird im Kapitel Zum Weiterarbeiten für alle thematisiert. Des Weiteren das Thema Frauen im Widerstand, das über die zwei Zeitzeuginnen Plousia Liakata und Eleni Georganta-Savatianou repräsentiert ist und auch die politische Dimension betrachtet, die die Öffnung auch bewaffneter Gruppen für Frauen mit sich brachte.

Zur Bedeutung der Oral History

Ein zentrales Element der Unterrichtseinheit bilden die lebensgeschichtlichen Interviews der vier Zeitzeuginnen/Zeitzeugen. Anders als in Geschichtsbüchern erleben Schüler/-innen Geschichte aus der Erzählung von Zeitzeuginnen/Zeitzeugen/ als sehr lebendig, da die Zeitzeugenvideos ein Erfassen und Wahrnehmen der Geschichte „mit verschiedenen Sinnen“* ermöglicht. „Mimik und Gestik tragen zur Lebendigkeit“* und Authentizität der Erzählung der Zeitzeuginnen/Zeitzeugen bei. Die Schüler/-innen erleben aber auch die emotionale Verfassung und Reaktionen der Zeitzeuginnen/Zeitzeugen, reflektieren diese, erfassen und beurteilen die Folgen traumatischer Verletzungen in der Kindheit für das spätere Leben.

Martin, Angela / Pagenstecher, Cord, Zwangsarbeit 1939-1945, Erinnerung und Geschichte, Zeitzeugeninterviews für den Unterricht, Lehrerheft, S. 17, Freie Universität Berlin, Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.).

Zur Intention

Intention dieser Lerneinheit ist es unter anderem, deutschen Schülerinnen/Schülern dieses in deutschen Schulbüchern und Lehrplänen völlig unbekannte Thema in digitaler Wissensvermittlung durch die Auseinandersetzung mit griechischen Zeitzeuginnen/Zeitzeugen zugänglich zu machen. Dass die nationalsozialistische Besatzungspolitik in Griechenland ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur ist, wurde lange Zeit aus dem offiziellen Erinnern an den Nationalsozialismus in Deutschland ausgeblendet. Die Bildungsplattform ermöglicht in didaktisch ansprechender und anschaulicher Weise eine Annäherung an dieses besondere Thema, mit dem Ziel, den historischen Kenntnisstand über die deutsche Okkupation in Griechenland zu heben, um auf diesem Weg Verständnis, Toleranz, Solidarität und Respekt, wichtige Grundpfeiler einer Zivilgesellschaft, zu fördern.

Zum didaktischen Konzept und Aufbau der Unterrichtseinheit

Die Arbeitsaufgaben dienen der strukturierten Auseinandersetzung mit den lebensgeschichtlichen Interviews unter unterschiedlichen Aspekten und Anforderungsniveaus, die im didaktischen Kommentar ausgewiesen sind. Der didaktische Aufbau der Fragestellungen erfolgt nach dem Schema: KennenlernenVertiefenDiskutieren und weiterführende Aufgaben.

Der Fragenkomplex Kennenlernen nimmt auf die Schilderungen und Erlebnisse der Zeitzeuginnen/Zeitzeugen direkt Bezug und intendiert eine erste Begegnung mit deren Persönlichkeit sowie ein intellektuelles und emotionales Erfassen und Verstehen des Erzählten durch die Schüler/-innen. Das Kennenlernen ist Voraussetzung für alle weiteren vertiefenden Fragestellungen.

In der Vertiefungsphase steht den Schülerinnen/Schülern eine Bandbreite unterschiedlicher Fragestellungen zur Verfügung, die teilweise inhaltlich aufeinander aufbauen und daher chronologisch bearbeitet werden müssen. Hinweise diesbezüglich finden sich in den didaktischen Kommentaren. Darüber hinaus gibt es in der Vertiefungsphase auch Wahlaufgaben, die Einzelaspekte (besondere Erfahrungen, Entscheidungssituationen oder Handlungen der Zeitzeuginnen/Zeitzeugen) vertiefen und diese in den historischen Kontext einordnen, sodass die Schüler/-innen einen umfassenden und lebendigen Einblick in die historischen Ereignisse und Lebensumstände der griechischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg erhalten. Die Aufgabenformate unterstützen und fördern eine selbstständige, kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit der Geschichte Griechenlands in den Schilderungen der Zeitzeuginnen/Zeitzeugen. Sie stellen aber auch Gegenwartsbezüge her, indem die Gegenwärtigkeit historischer Themen im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs präsent wird.
Häufig sind die Aufgaben so angelegt, dass dem individuellen Blickwinkel der Zeitzeuginnen/Zeitzeugen eine Einbettung in den größeren historischen Zusammenhang folgt, also vom Exemplarischen ins Allgemeine geblendet wird.

Eine weiterführende thematische Vertiefung bildet das Thema Widerstandsbegriff. Die Schüler/-innen werden mit zwei Definitionen des Widerstandsbegriffs vertraut gemacht. Das Peukertsche Modell ist in vielen Schulbüchern zu finden. Teilweise bleibt es hier unhinterfragt, obwohl es wissenschaftlich umstritten ist.

„Von den ersten historiographischen Versuchen der unmittelbaren Nachkriegszeit bis heute hat sich die Verwendung des Begriffs ‚Widerstand‘ und der daraus resultierende analytische Ansatz mehrmals verändert. Wurde in den 1950er und 1960er Jahren (zumindest von profanen Historikern) ‚Widerstand‘ begrifflich sehr eng gefasst – als widerständig galten die Personen aus dem Umfeld des 20. Juli 1944 und allenfalls noch wenige konservative Eliten –, wurde in den 1970er Jahren diese Interpretation weitgehend revidiert, vor allem durch die neuen alltagsgeschichtlichen Ansätze, die spontanes nonkonformes Verhalten auch einfacher Bürger, das (widerständige) Verhalten des ‚kleinen Mannes‘, untersuchten. Dieses Spektrum wurde in den 1980er Jahren erweitert, indem beispielsweise auch Widerstand von Frauen untersucht wurde, der bis dato, wenn überhaupt, nur als passiv wahrgenommen wurde. Diese Entwicklung zu einer sozialgeschichtlichen Perspektive barg allerdings auch nicht zu unterschätzende Probleme gerade für die Widerstandsforschung. Vor allem die inflationäre Verwendung des Widerstandsbegriffs wurde vielfach kritisiert, die aus einer so weiten Fassung des Widerstands resultierte, dass wiederum beinahe alles was als nicht regimetreu zu bezeichnen war auch als widerständisch gelten konnte. […]“ (Winter, T.Der Diskurs um Widerstand im Dritten Reich, in: Zukunft braucht Erinnerung, 27.06.2012)

Über die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Widerstands, den die Zeitzeuginnen/Zeitzeugen beschreiben, wird die Debatte den Nutzerinnen/Nutzern der Lernplattform zugänglich gemacht. Sie werden dazu aufgefordert, einen eigenen Begriff zu entwickeln, der sie in Zukunft eventuell auch in ihrem eigenen Handeln leiten wird.

Das didaktische Konzept der Lernplattform orientiert sich an den Prinzipien der Multiperspektivität, Kontroversität, Alterität und Pluralität in der Vermittlung von Geschichte. Die Zeitzeuginnen/Zeitzeugen betrachten aus ihrer jeweils besonderen Perspektive dasselbe historische Ereignis in ihren individuellen Lebenserfahrungen. Dies verdeutlicht den Schülerinnen/Schülern, dass „jede historische Sinnbildung ein perspektivisches Konstrukt ist, weil auch der Blick auf die Vergangenheit wiederum vom Standort, den Erfahrungen, Interessen oder Absichten des jeweiligen Betrachters abhängig ist.“ *

*Lehrplan Geschichte, Thüringen 2016, https://www.schulportal-thueringen.de/media/detail?tspi=2839, Stand: 03.11.2019.

Schüler/innen werden in dieser Unterrichtseinheit durch die kritische und eigenständige Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Zeitzeugenberichten in besonderer Weise in ihrem historischen Urteilsvermögen gefördert. Somit zielt die Lerneinheit auf eine besondere Entwicklung unterschiedlicher Kompetenzen (Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz) von Schülerinnen/Schülern durch die Oral History ab.