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Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland

Kriegsverbrechen und Reparationszahlungen

Kalavryta nach der Zerstörung

Kalavryta nach der Zerstörung

Allgemeine Einführung und historische Einordnung

Am 6. April 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht Griechenland. Offiziell begründete das NS-Regime sein Vorgehen mit der Entsendung eines britischen Expeditionskorps nach Griechenland und dessen Unterstützung der griechischen Verbände. Es bestand aus deutscher Sicht die Gefahr der Bildung einer neuen Front im Süden, der man im Zuge der Vorbereitung auf den Russlandfeldzug zuvorkommen wollte. Aus diesem Grund eilte Hitler seinem Achsenpartner Italien zu Hilfe. Eine Art „deutsche Task Force“ sollte Mussolini vor einem militärischen Desaster retten.

Der Griechisch-Italienische Krieg, von Italien provoziert, tobte seit Ende Oktober 1940. Die Griechen drängten, von nationaler Leidenschaft erfüllt, die italienischen Truppen erfolgreich weit hinter die griechisch-albanische Grenze zurück. Dass die griechische Armee den deutschen Invasoren mit verbissenem und hartnäckigem Widerstand entgegentrat, erstaunte die Deutschen. Bis Ende April hatten die deutsche Wehrmacht und italienische Verbände das griechische Festland besetzt und in drei Besatzungszonen aufgeteilt. Kreta wurde in einer verlustreichen Luftlandeoperation im Mai erobert. Die vermeintlichen Bewunderer der antiken griechischen Zivilisation und Kultur, der antiken Kunstwerke, der Philosophie und Literatur errichteten ein brutales Besatzungsregime, das mehr als drei Jahre andauern sollte. Als die deutschen Besatzer im Oktober 1944 Griechenland verließen, hinterließen sie ein durch die zahlreichen Kriegsverbrechen völlig verwüstetes Land. Gezielte und wiederholte Plünderung und Ausbeutung sowohl der wirtschaftlichen als auch der finanziellen Ressourcen des Landes führten zum wirtschaftlichen und sozialen Kollaps. Das Land wurde in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung um Jahrzehnte zurückkatapultiert.

Die traurige und grausame Bilanz dreieinhalbjähriger Besatzungszeit lässt sich in Zahlen eindrücklich darstellen: „30.000 und 50.000 Menschen verloren im Widerstand und Partisanenkrieg ihr Leben, 60.000 griechische Juden wurden während der Okkupation in deutsche Lager deportiert, 800 Dörfer und Kleinstädte wurden durch sogenannte ‚Sühnemaßnahmen‘ fast vollständig zerstört, 70.000 bis 80.000 Griechen (zumeist Zivilisten) wurden in Folge von Widerstandshandlungen und Vergeltungsmaßnahmen getötet, 91.000 griechische Geiseln wurden von deutschen Besatzungsstreitkräften erschossen, 100.000 Menschen starben im ersten Besatzungswinter an Hungersnot.“* Die Praxis der deutsche Besatzungspolitik glich einem regelrechten Vergeltungskrieg gegen die Zivilbevölkerung. Letztere stand in den Augen der Besatzer unter dem Generalverdacht, mit den Partisanen zu kooperieren, daher wurde auch sie schonungslos verfolgt, terrorisiert und ausgerottet. Laut dem Historiker Martin Seckendorf „starben in den Sommermonaten des Jahres 1944 in ganz Griechenland im Durchschnitt täglich 108 Griechen durch ‚deutsche Hand‘.“*

(*Seckendorf, M., Kalavrita! Stadt der Witwen und Märtyrer, in: Junge Welt, Berlin, 12.12.2008, S. 10f.)

Über die besondere Situation der Märtyrergemeinden (Opfergemeinden)

Die Lerneinheit rückt durch die bewusste Auswahl der zwei Zeitzeugen aus Distomo und Kalavryta zwei der bekanntesten Gedenkorte Griechenlands und Europas in den Mittelpunkt der thematischen Auseinandersetzung mit dem Thema Kriegsverbrechen und Reparationen. Beide Orte erlangten durch die grausamen Verbrechen der deutschen Besatzer traurige Berühmtheit. Die pädagogisch-didaktische Intention liegt dabei nicht vorrangig in einer rückwärtsgerichteten Schau und einer bloßen Vermittlung der Chronik der Kriegsverbrechen, deren Hintergründe und Folgen für die Betroffenen und Gemeinden, sondern in der Frage, welche dauerhaften Folgen, nicht nur materiell, sondern psychisch und gesellschaftlich, diese Kriegsverbrechen für die Bürger und Nachkommen der Opfer des nationalsozialistischen Terrors, vor allem der jungen Generation, heute haben, wie diese Gemeinden mit der Last der Vergangenheit leben, die sich tief in das kollektive Bewusstsein der Menschen eingegraben hat. Die Befragten reflektieren in ihren Schilderungen gerade diesen Aspekt sehr ausführlich.

Die Erinnerung ist in den Märtyrergemeinden, so die offizielle Bezeichnung, überaus lebendig, sichtbar und präsent – durch Gedenkorte, Museen, Mausoleen, Mahnmale, Gedenktafeln und Kulturveranstaltungen rund um die Gedenktage. Die Dauerpräsenz der Vergangenheit ist zugleich auch Auftrag und Aufforderung für die Gemeinden, sie gemeinsam zu bewältigen. Die Lerneinheit will durch die Erzählungen der Zeitzeugin/des Zeitzeugen auch einen kleinen Einblick in die psychische Verfassung und Befindlichkeit der Menschen in den Märtyrergemeinden geben, um zu verstehen, warum gerade kollektiv erfahrene traumatische Vergangenheit auch nach mehr als siebzig Jahren nicht einfach abgeschlossen werden kann. Das Trauma und die Trauer werden von Generation zu Generation weitergegeben. Die tiefe Trauer der Eltern und Großeltern lastet besonders auf der Generation der heute 50- bis 60-Jährigen. Es ist die Generation, die das Massaker selbst nicht erlebte, aber dafür umso mehr die Trauer. Sie versuchte vielfach zu vergessen, um nach vorne zu sehen. Viele von ihnen haben ihre Mütter oder Großmütter nur als schwarz gekleidete, trauernde Witwen erlebt, die ihren Kindern das Trauern als Lebensaufgabe mit auf den Weg gaben. Kalavryta, Distomo und unzählige andere Gemeinden galten als die Orte der schwarzgekleideten Witwen, jahrelang verbot man sich zu feiern und sich zu freuen. Sowohl Frau Koliopoulou-Konstantopoulou als auch Herr Sfountouris berichten ausführlich darüber. Ein Bruch mit dieser stillschweigenden Verpflichtung konnte zu schweren inneren Konflikten und permanenten Schuldgefühlen führen, wie sie etwa Giota Koliopoulou-Konstantopoulou als junge Frau am eigenen Leib erfahren hat. Es ist die Aufgabe der dritten und vierten Generation die Geschichte aufzuarbeiten, sich aus der „Blackbox“* der Vergangenheit und Trauer zu befreien und einen Weg in die Gegenwart und Zukunft zu wählen, der die Erinnerung als Chance und nicht als Last begreift .

* (Papandreou, Z.,…)

Nach wie vor beschäftigen die Überlebenden und Nachkommen auch heute noch viele quälende Fragen. Die Frage nach dem „Warum“. Warum waren Menschen, in diesem Fall die Deutschen, die in den Augen der Griechen als kultiviertes Volk galten, zu solchen grausamen Verbrechen fähig? War es ein abgrundtiefer Hass, den die deutsche Herrenrasse gegenüber den Griechen verspürte? Das Ausmaß des Terrors, der Grausamkeiten und der Unmenschlichkeit gegenüber den Besetzten ließ in vielen Griechen die Überzeugung reifen, dass man sie als Volk vollkommen auslöschen wollte.

Die zahlreichen Opfer ließ man mit ihrem Trauma und ihrer Trauer völlig allein. Deutschland, das Land, dem eine „Unfähigkeit zum Trauern“* diagnostiziert wurde, zeigte kein Verständnis. Man erachtete es als selbstverständlich, dass Griechenland Ende der 50er Jahre eine Generalamnestie für deutsche Kriegsverbrecher erließ. Man empfand wenig Schuldbewusstsein gegenüber den ehemaligen Besetzten. Die ausgesprochen grausame Besatzungspolitik in Griechenland fand daher auch nie Eingang in das offizielle Erinnern Deutschlands an den Nationalsozialismus. Trauerarbeit und Aufarbeitung des Traumas lässt sich aber nicht allein bewältigen. Das zeigt sich im Fall Griechenland ganz deutlich. Man braucht dazu das Gegenüber, in diesem Fall die Nachkommen der ehemaligen Täter. „Wenn sie bereit sind sich zu erinnern, ist verzeihen möglich“**, dann ist auch Begegnung möglich. Selbst heute, nach mehr als 70 Jahren, obwohl Erinnern in Deutschland sehr „kultiviert“ wird und eine große öffentliche Bedeutung erfährt, sind viele Deutsche mit der Trauer und dem Erinnern in den griechischen Märtyrergemeinden überfordert und irritiert. Man wünscht sich auch hier einen deutlich „deutscheren“ Umgang mit der Erinnerung.

nach: Mitscherlich, Alexander und Margarete, Die Unfähigkeit zum Trauern

** Fleischer, HagenDeutsche Besatzungszeit, Bundeszentrale für politische Bildung

Aktualität und Brisanz der Thematik im deutsch-griechischen Verhältnis

Ebenso beschäftigt sich die Lerneinheit mit der Frage der Schuld der Täter und der berechtigten Forderung der Opfer nach Entschädigung sowie der gerechten Bestrafung der Kriegsverbrecher.

In Deutschland tut man sich sichtlich schwer mit dem Erinnern an die eigene Vergangenheit in Griechenland. Viele Jahrzehnte blendete man diesen Teil der Erinnerung bewusst aus dem kollektiven Erinnern an die NS-Zeit aus und überließ die Trauerarbeit den Opfern im fernen Griechenland, während man in Deutschland kein Schuldbewusstsein entwickelte. In Griechenland hingegen besaß die Frage nach Schuld, Wiedergutmachung und Entschädigung auch mehr als 70 Jahre nach dem Krieg eine ungebrochene Brisanz, ganz im Unterschied zu Deutschland, das das Thema Reparationen und Kriegsentschädigungen offiziell für abgeschlossen hält.

Besonders in der Eurokrise entflammte die Diskussion aufs Neue und belastete die deutsch-griechischen Beziehungen schwer. „Auch deutsche Schulden müssen bezahlt werden“, konterten die Griechen in der Eurokrise auf den Vorwurf Deutschlands, dass Griechenland seine „fiskalischen Hausaufgaben“ nicht gewissenhaft erledige. Die Griechen sahen durchaus verspätet sehr wohl die Versäumnisse und Fehler der eigenen Regierung und prangerten diese auch an, gleichzeitig war man einer unglaublichen deutschen Überheblichkeit und Arroganz ausgesetzt. Die Deutschen sahen sich als Garanten europäischer Vereinbarungen innerhalb der Eurozone, unangreifbar in ihrer wirtschaftlichen Seriosität und immun gegen jede Korruption. Der harte Sparkurs, der den Griechen in der Eurokrise auferlegt wurde und das Land sowohl wirtschaftlich als auch sozial an den Rand der Belastbarkeit brachte, förderte alte Ressentiments zutage. In Deutschland kursierte das Bild der faulen Griechen, der „Schmarotzer der Eurozone“, die auf Kosten der ordentlichen, sparsamen Deutschen leben, und in Griechenland das Bild der Bundeskanzlerin mit Hitlerbart in NS-Uniform. In der emotional aufgeladenen Stimmung der Eurokrise vergaß man gänzlich, dass es sich bei den griechischen Forderungen nach Reparationen um Forderungen handelt, die Griechenland wiederholt in den letzten 70 Jahren und zwar mit Nachdruck, aber leider erfolglos, an die Adresse der deutschen Regierung gerichtet hatte und nicht erst in der Eurokrise aus dem Zylinder zauberte.

Hat Deutschland seine Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg beglichen, hat es Reparationen, Wiedergutmachung geleistet oder hat es sich dieser Verpflichtung elegant entzogen? Wie sieht Wiedergutmachung aus? Hier gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Versteht man darunter eine ethische und moralisch verordnete Wiedergutmachung mit einem aufrichtigen Schuldbekenntnis und der Bitte um Verzeihung oder versteht man darunter materielle Leistungen? Lässt sich der Verlust eines Menschenlebens in einer Geldsumme beziffern und entschädigen? Welche Vorstellung haben die Überlebenden?

Die Schüler/-innen werden in ihrer Auseinandersetzung mit den lebensgeschichtlichen Interviews der Zeitzeugin/des Zeitzeugen genau mit diesen Fragen konfrontiert, sie reflektieren diese Problematik und können dabei zu völlig unterschiedlichen Positionen gelangen. Intention ist es, die Schüler/-innen für diese Thematik zu sensibilisieren und ihr Bewusstsein für Recht und Gerechtigkeit in Bezug auf begangene Kriegsverbrechen durch Krieg führende Staaten zu schärfen. Schüler/-innen sollten Kriegsverbrechen nicht einfach als legitime Kriegshandlungen rechtfertigen, sondern sich ein kritisches Urteil darüber bilden, mit dem Ziel, dass sie Empathie und Solidarität mit den Opfern von Kriegshandlungen entwickeln, Unrechtsstrukturen erkennen und sich für die Notwendigkeit der Wahrung des Friedens einsetzen.

Kurze Erläuterungen zu der Zeitzeugin/dem Zeitzeugen

Die Unterrichtseinheit bietet zwei unterschiedliche Zeitzeugeninterviews zum Thema Kriegsverbrechen und Reparationen in einer Länge von ca. 40 Minuten. Dabei kommen eine Frau und ein Mann aus unterschiedlichen Regionen Griechenlands gleichen Alters, unterschiedlichen familiären, ideologischen Hintergrunds und unterschiedlicher Bildung zu Wort.

Im Mittelpunkt der Einheit Kriegsverbrechen und Reparationen stehen zwei Personen, in unserem Fall Giota Koliopoulou-Konstantopoulou und Argyris Sfountouris. In thematisch ausgewählten Videoabschnitten schildern die beiden unterschiedliche Erfahrungen während der deutschen Besatzungszeit. Zentrales Element ihrer Erzählungen sind aber die traumatischen Erfahrungen der Kriegsverbrechen, die sie als Kinder miterleben mussten. So erzählen sie von brutaler Gewalt, Hinrichtungen, sinnloser Zerstörung, vom Tod ihrer Angehörigen, von ihren Ängsten, ihrer Verzweiflung, aber auch von ihren Träumen und Hoffnungen. Beiden gemeinsam ist die Erfahrung der Grausamkeit und Unmenschlichkeit. Für die Kinder macht der Krieg keinen Sinn. Er beraubt sie ihrer Kindheit, ihrer Familien und ihrer Perspektiven und hinterlässt eine völlig traumatisierte Generation von jungen Menschen, die mit ihrem kaum zu bewältigenden Schicksal alleingelassen werden. Viele von ihnen können und wollen darüber viele Jahrzehnte hinweg nicht reden und brechen erst im fortgeschrittenen Alter ihr Schweigen. Giota Koliopoulou-Konstantopoulou und Argyris Sfountouris nehmen ihre Erfahrungen, ihr Schicksal als Auftrag, zukünftigen Generationen davon zu erzählen, die Erinnerung wachzuhalten und somit eine zeitgemäße deutsch-griechische Erinnerungskultur als engagierte Akteure mitzugestalten. So sind sie auch für heutige Schüler/-innen Vorbilder in ihrem unermüdlichen Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit.

Zur Bedeutung der Oral History

Ein zentrales Element der Unterrichtseinheit bilden die lebensgeschichtlichen Interviews mit den zwei Zeitzeugen. Anders als in Geschichtsbüchern erleben Schüler/-innen Geschichte aus der Erzählung von Zeitzeuginnen/Zeitzeugen als sehr lebendig, da die Zeitzeugenvideos ein Erfassen und Wahrnehmen der Geschichte „mit verschiedenen Sinnen“* ermöglicht. „Mimik und Gestik tragen zur Lebendigkeit“* und Authentizität der Erzählung der Zeitzeugin/des Zeitzeugen bei. Die Schüler/-innen erleben aber auch die emotionale Verfassung und Reaktionen der Zeitzeugin/des Zeitzeugen, reflektieren diese, erfassen und beurteilen die Folgen traumatischer Verletzungen in der Kindheit für das spätere Leben.

Martin, Angela / Pagenstecher, Cord, Zwangsarbeit 1939-1945, Erinnerung und Geschichte, Zeitzeugeninterviews für den Unterricht, Lehrerheft, S. 17, Freie Universität Berlin, Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.).

Zur Intention

Intention dieser Lerneinheit ist es unter anderem, deutschen Schülerinnen/Schülern dieses in deutschen Schulbüchern und Lehrplänen völlig unbekannte Thema in digitaler Wissensvermittlung durch griechische Zeitzeuginnen/Zeitzeugen zugänglich zu machen. Dass die nationalsozialistische Besatzungspolitik in Griechenland ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur ist, wurde lange Zeit aus dem offiziellen Erinnern an den Nationalsozialismus in Deutschland ausgeblendet. Die Bildungsplattform ermöglicht in didaktisch ansprechender und anschaulicher Weise sich diesem besonderen Thema anzunähern, mit dem Ziel den historischen Kenntnisstand über die deutsche Okkupation in Griechenland zu heben, um auf diesem Weg Verständnis, Toleranz, Solidarität und Respekt, wichtige Grundpfeiler einer Zivilgesellschaft, zu fördern.

Zum didaktischen Konzept und Aufbau der Unterrichtseinheit

Die Arbeitsaufgaben dienen der strukturierten Auseinandersetzung mit den lebensgeschichtlichen Interviews unter unterschiedlichen Aspekten und Anforderungsniveaus, die im didaktischen Kommentar ausgewiesen sind. Der didaktische Aufbau der Fragestellungen erfolgt nach dem Schema: KennenlernenVertiefenDiskutieren und weiterführende Aufgaben.

Der Fragenkomplex Kennenlernen nimmt direkt auf die Schilderungen und Erlebnisse der Zeitzeugin/des Zeitzeugen Bezug und intendiert eine erste Begegnung mit der jeweiligen Persönlichkeit sowie ein intellektuelles und emotionales Erfassen und Verstehen des Erzählten durch die Schüler/-innen. Das Kennenlernen ist Voraussetzung für alle weiteren vertiefenden Fragestellungen.

In der Vertiefungsphase steht den Schülerinnen/ Schülern eine Bandbreite unterschiedlicher Fragestellungen zu Verfügung, die teilweise inhaltlich aufeinander aufbauen und daher chronologisch bearbeitet werden müssen. Hinweise diesbezüglich finden sich in den didaktischen Kommentaren. Darüber hinaus gibt es in der Vertiefungsphase auch Wahlaufgaben, die Einzelaspekte (besondere Erfahrungen, Entscheidungssituationen oder Handlungen der Zeitzeugin/des Zeitzeugen) vertiefen und diese in den historischen Kontext einordnen, sodass die Schüler/-innen einen umfassenden und lebendigen Einblick in die historischen Ereignisse und Lebensumstände der griechischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg erhalten. Die Aufgabenformate unterstützen und fördern über die Schilderungen der Zeitzeugin/des Zeitzeugen eine selbstständige und kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit der Geschichte Griechenlands. Sie stellen aber auch Gegenwartsbezüge her, indem die Aktualität historischer Themen zum Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses wird. In diesem Sinne finden die Schüler/-innen ausgehend von der Auseinandersetzung mit den lebensgeschichtlichen Interviews die Möglichkeit, sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen wie der Thematik der griechischen Reparationsforderungen gegenüber Deutschland im heutigen Griechenland zu beschäftigen.

Eine weiterführende thematische Vertiefung bildet das Thema Kriegsverbrechen und Reparationen, deren Aktualität den Schülerinnen/Schülern in den Medien durch die kontrovers geführte Debatte über die vornehmlich durch die hohen Staatsschulden Griechenlands entstandene Eurokrise zu einer kritischen und problemorientierten Auseinandersetzung herausfordert.

Das didaktische Konzept der Lernplattform orientiert sich an den Prinzipien der Multiperspektivität, Kontroversität, Alterität und Pluralität in der Vermittlung von Geschichte.

Die Zeitzeugin/der Zeitzeuge betrachten aus ihrer jeweils besonderen Perspektive dasselbe historische Ereignis in ihren individuellen Lebenserfahrungen. Dies verdeutlicht den Schülerinnen/Schülern, dass „jede historische Sinnbildung ein perspektivisches Konstrukt ist, weil auch der Blick auf die Vergangenheit wiederum vom Standort, den Erfahrungen, Interessen oder Absichten des jeweiligen Betrachters abhängig ist.“*

*Lehrplan Geschichte, Thüringen 2016, https://www.schulportal-thueringen.de/media/detail?tspi=2839, Stand: 03.11.2019.

Die Lerneinheit wird in besonderem Maße einem wissenschaftlichen Anspruch gerecht, da sich die thematische Auseinandersetzung der Schüler/-innen in der Kombination aus Oral History, lebensgeschichtlichen Interviews, wissenschaftlicher Darstellung und Analyse an den Standards und Ergebnissen der historischen Fachwissenschaft orientiert. So ist ein sachlich und methodisch fundierter Umgang mit Geschichte gewährleistet, der die Schüler/-innen in ihrem wissenschaftspropädeutischen Arbeiten fördert und unterstützt.

Schüler/-innen werden in dieser Unterrichtseinheit durch die kritische und eigenständige Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Zeitzeugenberichten in besonderer Weise in ihrem historischen Urteilsvermögen gefördert.

Somit zielt die Lerneinheit durch die Oral History auf eine besondere Entwicklung unterschiedlicher Kompetenzen (Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz) von Schülerinnen/Schülern ab.